Kinder mit FAS sind häufig Frühchen

Jedes elfte Kind in Deutschland kommt zu früh auf die Welt. Das sind jährlich circa 60.000 Kinder. 10.000 von diesen Frühgeborenen wiegen anfangs unter 1500 Gramm. Mehr als die Hälfte aller Kinder mit fetalen Alkoholschäden sind Frühgeborene. 

Dieser Umstand ließ den Bundesverband „Das frühgeborene Kind“ e.V. aufhorchen und schnell zur Entscheidung kommen, dass HAPPY BABY INTERNATIONAL e.V. und der Bundesverband miteinander kooperieren und sich gegenseitig bei der Aufklärungsarbeit unterstützen wollen. Ob die Frühgeborenen mit Alkoholschäden oder ohne geboren werden – fast allen gemein sind zumindest Entwicklungsverzögerungen. Für leibliche, Pflege- oder Adoptiveltern beginnt ab der frühen Geburt eine sorgenvolle und sehr belastende Zeit. Aber nicht nur für sie – es betrifft auch Geschwisterkinder, Großeltern und das nähere Umfeld.

Die Mission des Bundesverbandes „Das früh geborene Kind“ e.V. ist deshalb, zu früh geborenen Kindern und ihren Eltern verlässliche Aufklärung, Informationen und Hilfsangebote dauerhaft zur Verfügung zu stellen. November 1992 war es, als sich in Frankfurt am Main über 80 Vertreter verschiedener Initiativen und Vereine zusammentaten und den Bundesverband gründeten. Allen, die im Bundesverband aktiv sind, ist gemein, dass sie eigene Erfahrungen mit den sogenannten Frühchen gemacht haben. Sie wissen um die Bedürfnisse, die Sorgen und die Herausforderungen.

Anfangs lag der Fokus ihrer Arbeit im Wissenstransfer und Networking. Inzwischen ist der Bundesverband politisch sehr aktiv, organisiert bundesweit Workshops, publiziert Informationsbroschüren, bringt ein vierteljährliches Verbandsmagazin heraus (aktuell wurde als Schwerpunktthema FASD platziert), setzt sie sich für die Verbesserung der medizinischen (Stichwort „hochqualifizierte Perinatalzentren“) und psychosozialen Versorgung Frühgeborener und ihrer Eltern ein. Last but not least, und das ist ein wichtiger Schwerpunkt im Engagement des Bundesverbandes, haben sie eine Hotline für „Frühchenkummer“ eingerichtet. Die Anrufe sind sowohl für Eltern aus Deutschland wie auch aus Österreich kostenlos. Alle neun Beratenden haben Frühchen-Erfahrung und können deshalb konkrete Hilfe leisten. 

Viele Eltern plagen Schuldgefühle, ursächlich zu sein für die zu frühe Geburt. „Denn es können beispielsweise betroffene Frauen auch selber auf der Intensivstation liegen für ein, zwei oder drei Tage und können nicht zu ihrem Kind. Dieser Bruch in dieser Anfangszeit, der ist für Mutter und Kind traumatisch“, berichtet Katarina Eglin, die im Bundesverband für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich zeichnet. „Väter kriseln auch“, erzählt sie weiter, „die müssen zwischen der Sorge der Mutter und der Sorge um das Kind irgendwie noch existieren.“ Der Ausnahmezustand der zu frühen Geburt sei für alle hoch belastend. Die Gedanken gingen dann auch weniger um das eigene Wohlbefinden.  „Man sorgt sich um das Kind und schiebt erst einmal weg, was man für sich selber noch als Trauma mitnimmt“, erläutert Katarina Eglin. Das Trauma suche sich dann einen Raum, wenn die heikle Phase vorbei sei und man sich endlich entspannen könne., es dem Kind besser gehe.  Plötzlich kämen die nicht aufgearbeiteten Themen um die Ecke und keiner im Umfeld würde die Probleme der Eltern verstehen. Die Mütter verstünden sich selbst oft nicht. „Und das ist unser Ansatz, die Familien mit Strategien vertraut zu machen“, so Eglin. Das möglichst zeitnah, damit Eltern und Kind gut in der Interaktion mit dem Kind zusammenwüchsen.

Fragen über Fragen entstehen auch durch die vielfältigen körperlichen Schwächen und Defizite, die häufig allesamt hochkompliziert sind – eben je nachdem, wieviel zu früh das Kind auf die Welt gekommen ist. Besonders betroffen sind zumeist die Lungen, der Darm, das Gehirn, die Augen.  Fast allen Frühchen gemein sind Entwicklungsverzögerungen im Sinne von später Laufen, später Sprechen. Mit entsprechender Förderung könne dies in den ersten Lebensjahren jedoch kompensiert werden. 

Besonders frühen Frühchen bleibt ihr Schicksal der verfrühten Geburt ein lebenslanges Thema. Weil sie dauerhafte Krankheiten haben, sich Spätfolgen entwickeln, die oft genug auch psychischer Natur sind. Depressionen sind keine Seltenheit.

Ein weiteres großes Aufgabenfeld sieht der Bundesverband „Das frühgeborene Kind“ in der Sensibilisierung und Fortbildung von Kita-Personal. Ein Frühchen-Vater und eine Kita-Leiterin haben hierzu ein Fortbildungsmodel entwickelt, das Träger oder einzelne Einrichtungen buchen können. „Es wird dabei diese verschlossene Tür Neonatologie ein bisschen aufgestoßen und vermittelt, was da im Verborgenen eigentlich für eine Lebenswelt existiert hat, durch die diese Kinder durchgegangen sind,“ erklärt Katarina Eglin. Die dann erklärt, warum es verstärkt Probleme gebe, dass die Kinder nicht in der Kita bleiben wollen. Zu stark sind die Frühchen auf die Eltern fokussiert, als dass der Abnabelungsprozess ein leichtes Spiel sein könnte. Dieses Angebot werde, so Eglin, gut abgefragt.

Schwieriger sei es mit der Aufklärungsarbeit an den Schulen. Eglin: „Da entsteht gerade im bayerischen Fortbildungsinstitut ein Lehrvideo.“ Es handele sich erst einmal nur um ein Pilotprojekt. Schule sei nun mal Ländersache. Das Thema Einschulung wird demzufolge unterschiedlich gehandhabt. In vielen Bundesländern wird beispielsweise den Eltern nicht das Recht zugestanden einschätzen zu können, ob ihr Frühchen besser ein Jahr länger im Kindergarten bleibt. So mancher Grund, warum das abgelehnt wird, macht fassungslos: „Das Problem ist manchmal, dass eine Schule Schüler ziehen muss, um die Klasse voll zu kriegen.“ Das kann zu einem echten Kampf zwischen Gesundheitsamt, Schule und den Eltern führen. Es sei nicht mal an Förderschulen Standard, dass Frühchen zugestanden wird, ein Jahr später als üblich in die Schule zu gehen.

Die Frühchen-Hotline kann montags, dienstags, donnerstags, freitags von 9 bis 13 Uhr angewählt werden und mittwochs von 16 bis 20 Uhr.

Für Deutschland: 0800-875 877 0

Für Österreich: 0800-878 878

www.fruehgeborene.de

Autorin: Dagmar Elsen