„Alkohol verkocht schon“ ist ein Mythos
Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass beim Kochen mit Alkohol der gesamte Alkohol verdampft. Klassisches Beispiel: die Bolognese, die mit Rotwein abgelöscht wird. Entsprechend halten manche Schwangere, und nicht nur die, den Verzehr solcher Speisen für unbedenklich. Doch diese Annahme ist falsch und potenziell gefährlich. Zahlreiche Studien belegen das Gegenteil und widerlegen den Mythos, dass Alkohol vollständig verkocht.
Fakt ist, dass Alkohol bei etwa 78 °C beginnt zu verdampfen. Doch die Temperatur allein entscheidet nicht darüber, ob und wie viel Alkohol tatsächlich verschwindet. Entscheidend sind die Dauer des Kochvorgangs, die Kochtemperatur, die Menge des verwendeten Alkohols und die Größe und Offenheit des Topfes.
Nach Daten des US Department of Agriculture (USDA) bleibt beispielsweise nach 15 Minuten Kochen noch etwa 40% des Alkohols im Gericht. Selbst nach drei Stunden Kochzeit sind immer noch zu 5% Alkohol im Gericht.
Das bedeutet für Schwangere: Es besteht kein sicherer Schwellenwert für Alkoholkonsum. Selbst geringe Mengen können die Entwicklung des Kindes beeinträchtigen und zu fetalen Alkoholspektrumstörungen (FASD) führen. Schon Spuren von Ethanol können in die Plazenta gelangen und dort neuronale Schäden, Wachstumsstörungen oder Verhaltensauffälligkeiten beim Ungeborenen verursachen.
Unser Tipp, um den typischen Bolognese-Geschmack dennoch hinzubekommen: Man nehme entweder alkoholfreien Rotwein oder Traubensaft mit einem Schuss Balsamico und Zitronensaft. Auch gut ist die Alternative Gemüsebrühe mit Tomatenmark und Kräutern.
Und was wir auch immer gefragt werden: Was hat es mit dem Alkoholgehalt in Fruchtsäften auf sich? Ist das schädlich für mein Baby? Kann ich mich tatsächlich mit überreifen Bananen beschwipst essen? Was ist mit den Hefepilzen, die für Alkohol im Brot sorgen?
Zum Beruhigen vorab: „Das Verzehren von Säften und Obst in normalen Mengen spielt bezüglich des Alkoholgehalts sicherlich keine Rolle“ gibt unsere Botschafterin Gynäkologin Dr. Elena Leineweber, zunächst einmal Entwarnung.
Fakt ist, dass Alkohol für unseren Körper gar keine fremde Substanz darstellt. So wird er gern „natürlicher Alkohol genannt. Im Gegenteil: Im Verdauungstrakt finden ständig Gärprozesse statt. Diese geringen Alkoholmengen ist der Körper aber gut in der Lage zu verdauen. Alkoholhydrogenase heißt das in der Leber dafür zuständige Enzym, das Ethanol in andere Stoffe umbaut. Dass in vielen Lebensmitteln, insbesondere Obst, Fruchtsäften, Brot, geringe Mengen Alkohol enthalten sind, bedeutet für den Körper also keinen wirklichen Aufreger.Laut dem bayrischen Kompetenzzentrum für Ernährung sind Lebensmittel mit natürlichem Alkoholgehalt, der selten 0,3 Volumenprozent übersteigt, als unbedenklich einzustufen.
Zu verhindern ist der Alkoholgehalt in Fruchtsäften übrigens nicht. Die Früchte beginnen schon am Tag der Ernte zu gären. Bis die Früchte gepresst werden, ist also schon Alkohol entstanden. In diesem Zusammenhang ist auch der Fruchtzuckergehalt zu erwähnen. Je höher dieser ist, desto mehr vergärt Zucker zu Alkohol. Das bedeutet, dass man bei Bananen- und Apfelsaft, oder auch Traubensaft, durchaus darauf achten sollte, wieviel man davon trinkt. DasBundeszentrum für Ernährung empfiehlt ein Glas Saft am Tag. Trick 17 für drei Gläser mit Geschmack ist natürlich, die Saftmenge mit drei Teilen Wasser zu verdünnen.
Was für den Fruchtsaft gilt, gilt auch für den Verzehr von Obst. „Auch hier können große Mengen an Zucker ein Problem darstellen“, mahnt die Ärztin Elena Leineweber. Zwei Portionen Obst am Tag empfiehlt das Bundeszentrum für Ernährung. Wobei hier Unterschiede gemacht werden müssen, um welche Obstsorten es sich handelt. Heimische Beeren zum Beispiel haben kaum Fruchtzucker, Äpfel und Trauben dagegen viel. Auch bei Bananen sollte man Vorsicht walten lassen. Ganz frisch sind sie kein Problem. Je länger sie liegen, desto höher wird aufgrund der fortschreitenden Gärung der Alkoholgehalt. Hat die Banane zwei Wochen rumgelegen, kann sich der Alkoholgehalt auf 1,2 Prozent gesteigert haben. Das reicht aber noch nicht, um sich beschwipst zu essen. Es sei denn, man isst Unmengen davon.
Nicht zuletzt gilt auch der Alkoholgehalt im Brot als unbedenklich. Die Hefepilze sorgen für einen Alkoholgehalt von drei bis vier Gramm pro Kilogramm, also verschwindend gering.
Quellen: US Department of Agriculture, Table of Nutrient Rertention Factors, Release 6, Washington D.C. 1992, Deutsche Gesellschaft für Ernährung, FAQ, Alkohol und Schwangerschaft, Bonn, 2023
Autorin: Dagmar Elsen



