Beiträge

FAS-Zwillinge: Der Sport ist mein Freund, nicht mein Gegner

Mancher FAS-Betroffene ist mit herausragendem sportlichen Talent gesegnet und zu großen Leistungen fähig – solange, ja solange der Sport ohne Druck ausgeübt werden kann. Aber spätestens dann, wenn es um die Wurst geht bei Wettkämpfen, Turnieren oder Medenspielen, geht plötzlich nichts mehr. Der Druck ist zu groß, die erwartete Leistung zu bringen. Fehler über Fehler passieren, Frust und Wut beginnen das Spiel zu dominieren bis irgendwann Schicht ist. Viele geben dann auf, probieren etwas anderes aus, oder machen gar keinen Sport mehr.

Nicht gut, sagen unsere beiden Botschafterinnen Clara und Luise Andrees aus Berlin, die beide vor 26 Jahren mit dem Fetalen Alkoholsyndrom auf die Welt gekommen sind. Denn jenseits der befreienden Möglichkeiten sich körperlich auszupowern, um die Anforderungen des Alltags auszugleichen, ist Sport natürlich auch gut für die Psyche. “Der Sport gibt mir Selbstbewusstsein und ich kann so sein wie ich bin. Der Sport sagt mir nicht, wie ich sein muss. Der Sport ist mein Freund und nicht mein Gegner”, sagen Luise und Clara übereinstimmend.

Sowohl Clara als auch Luise sind in ihren Disziplinen – Clara beim Fußball, Luise beim Tischtennis – super erfolgreich und haben Medaillen und Pokale abgeräumt. Luise ist nicht nur Deutscher Meister Berlin, nein, sie ist außerdem Deutscher Meister im Betriebssport und dritte bei den deutschen Meisterschaften. Dass die eineiigen Zwillinge so erfolgreich sind, hat natürlich seine Gründe. Denn alles in den Schoß gefallen ist ihnen beileibe nicht. Aber war der richtige Riecher für die eigenen Bedürfnisse, das große Glück mit den Trainern, der starke Wille durchhalten zu wollen, nicht zuletzt viel Mentaltraining hat die Zwei auf ihre Erfolgsspur gebracht.

Wie genau sich ihre sportliche Laufbahn entwickelt hat, das wollten wir natürlich genauer wissen und haben die Zwillinge mit Fragen gelöchert:

 

In welchem Alter habt Ihr mit Fußball angefangen?

Luise: Clara und ich haben schon als Kleinkinder Fußball geliebt. Andere in dem Alter haben mit Puppen gespielt, wir waren immer draußen bolzen. Richtig in den Verein sind wir mit ca. 13 Jahren gekommen und haben es sofort geliebt. Wir galten gleich als Talente und waren dann auch beim Sichtungstraining bei Turbine Potsdam für die U 17. Aber da haben Clara und ich uns dagegen entschieden, da wir gemerkt haben, dass da nur auf Leistung geschaut wird. Wir wollten aber weiterhin Spaß haben bei unserem Sport.

Eines Tages haben sich Eure Wege sportlich getrennt. Wie kam es dazu?

Luise: Neben Fußball hatten wir auch angefangen Tischtennis zu spielen. Ich habe dann mit Fußball aufgehört, weil ich Tischtennis und Fußball zusammen nicht mehr hinbekommen habe. Ich galt auch beim Tischtennis ziemlich schnell als Talent. Da habe ich für mich entschieden, dass, wenn ich wirklich eine Chance habe mit dem Sport etwas zu erreichen, ich das definitiv am besten mit Tischtennis schaffe. Mit 15 Jahren habe ich mit Fußball aufgehört und intensiv angefangen Tischtennis zu spielen.

Clara: Beim Tischtennis spielen habe ich schnell gemerkt, dass es mir keinen Spaß macht. Beim Fußball spielen bin ich mit dem ganzen Herzen dabei. Für mich gibt es nichts besseres, als auf dem Fußballplatz stehen zu dürfen.

Seid Ihr in den Wettkämpfen gleich erfolgreich durchgestartet, oder hattet Ihr auch mit Schwierigkeiten zu kämpfen?

Clara: Bei mir gab es noch nie Probleme bei Übungen oder Ähnlichem. Ich liebe Übungen und Matches, ich liebe es mich konzentrieren zu müssen. Mein Sport war für mich nie wie Schule oder so. Ich hatte nie Angst, dass ich etwas nicht kann. Das liegt aber auch daran, dass ich immer zu den sehr guten Spielerinnen gehört habe und ich mich nie verstecken musste.

Luise: Früher war ich sehr schüchtern und habe mich ganz schnell aus der Ruhe bringen lassen. Ich hatte auch Angst vor Druck, nicht die Leistung bringen zu können, die ich von mir selbst und andere von mir erwarten. So hatte ich sehr mit mir zu kämpfen.

Was, Luise, hat Dir geholfen, Deine Probleme zu überwinden – Mentaltraining?

Luise: Zum einen habe ich mir mentale Stärke durch viele Turniere und Spiele angeeignet. Dafür bin ich durch viele Tiefs gegangen, sprich Niederlagen. Aber diese Niederlagen haben mir dann die Erfahrungen gegeben, die mir heute die Siege einfahren. Man muss erstmal Niederlagen kassieren, diese auch annehmen und damit lernen umzugehen, um dann neue Möglichkeiten zu bekommen diese dann zu nutzen.

Wenn ich Druck habe und merke, dass ich nervös werde, dann gehe ich einmal kurz zum Handtuch, atme durch und sage mir: Komm, du schaffst das! Wichtig ist, immer daran zu glauben, dass du gewinnen kannst. Versuche nie deine negative Stimmung zuzulassen. So bald du dich unnötig ärgerst, verändert es deine Stimmung und dann auch gleich dein ganzes Körpergefühl. Dann machst du Fehler, die du eventuell, wenn du locker wärest, nicht machen würdest. Außerdem, wenn ich merke, dass ich nicht gut rein gekommen bin ins Match, dann spiele ich einfach Punkt für Punkt und bleibe ganz bei mir. Plötzlich kommt dein Selbstbewusstsein wieder und dann kommen auch wieder die Bälle.

Von welcher Bedeutung sind Eure Trainer?

Luise: Mein jetziger Trainer Stephan Büttner hat mich vor vier Jahren nach Geltow geholt, nachdem er mich bei einem Turnier in Berlin gesehen hatte und wir gegeneinander gespielt haben. Er hatte mir dann angeboten, mich in Geltow zu trainieren. Damals war ich noch sehr schüchtern und wusste nicht wie ich mit der Situation umgehen soll, da ich ja ihn und generell den neuen Verein nicht kannte. Zum Glück hat er nicht locker gelassen und hat um mich gekämpft , dass ich von Berlin nach Geltow zu wechsle.

Nach diesem Wechsel fing für mich ein neuer sportlichen Weg an – ein sehr positiver und erfolgreicher Weg. Aber auch ohne den Sport konnte ich durch Stephan viel lernen. Er hat mich so genommen wie ich bin. Er hat mir gezeigt, dass ich mich für keinen anderen verändern muss und dass ich einfach so sein darf wie ich bin. Und das hat mich so sehr gestärkt und hat mir Selbstvertrauen gegeben. Das macht mich sehr glücklich. Er ist jetzt noch ein ganz großes Vorbild für mich. Und für mich ist klar: Ohne Stephan hätte ich vieles nicht geschafft, was ich jetzt geschafft habe, da er mir so viel Kraft schenkt und immer an mich glaubt. Das ist einfach unfassbar.

Clara: Die Trainer spielen für mich eine große Rolle, ich als Spieler muss das Vertrauen spüren, damit ich meine Leistung auf dem Platz bringen kann.

Wissen die Trainer, dass Ihr FAS habt?

Luise: Mein Trainer weiß Bescheid. Ich hatte ihm das sehr schnell gesagt und auch da hat er gesagt, dass er das super findet, dass ich damit so offen umgehe und dass es so genau richtig ist. Aber mehr nicht – es für mich auch kein Thema, groß darüber zu sprechen.

Clara: Meine Trainer wissen es nicht. Ich möchte das nicht.

Wissen die anderen Spieler, dass Ihr FAS habt?

Luise: Andere Spieler wissen es nicht und das ist auch ganz bewusst so, da es für mich privat ist und nur wirklich enge Freunde und Bekannte darüber Bescheid wissen. Denn: Sport und Privat trenne ich ganz bewusst.

Clara: Für mich gilt das gleiche.

Habt Ihr Freundschaften zu anderen Spielern, oder geht man im Anschluss eher seiner Wege?

Luise: Also ich habe viele freundschaftliche Kontakte und darüber bin ich sehr froh. Ich habe auch meinen Freund Dank meinem Sport gefunden, besser gesagt ER hat mich gefunden. Wir spielen auch in der gleichen Mannschaft und das ist perfekt.

Clara: Ich habe mehrere gute Freundschaften in meinem Fußballumfeld geschlossen und das macht mich sehr glücklich.

Die Fragen stellte Dagmar Elsen, Journalistin und Initiatorin der Kampagne