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Alkoholkonsum in der Schwangerschaft – eine Straftat?

Schaut man ins Nachbarland Polen, dann ist es strafbar, wenn die Mutter ihr Kind im Mutterleib durch Alkoholkonum absichtlich gefährdet. Dann drohen ihr bis zu fünf Jahre Gefängnisstrafe.

Im Jahr 2013 sorgte in Polen ein Fall für Aufsehen, als eine hochschwangere Frau in Lodz beim Einkaufen zusammenbrach und von Passanten ins Krankenhaus gebracht wurde. Die Ärzte stellten bei der 24jährigen einen Alkoholwert von 2,6 Promille fest und entschieden: Wir holen das Kind per Notkaiserschnitt. Fassungslos stellten sie fest, dass das Kind gar mit 4,5 Promille Alkoholgehalt im Blut auf die Welt kam.

Am 23. Dezember 2019 waren die Polen wieder in Aufruhr. Eine 44jährige kam betrunken in ein Warschauer Krankenhaus. Ihr Kind bekam sie zwar auf natürlichem Wege, aber mit einem Alkoholpegel von 3,2 Promille. Diesen Wert wies auch der Säugling auf.

Ist das Verhalten der Mütter, wenn sie wider besseres Wissen Alkohol in der Schwangerschaft konsumieren, schwere Körperverletzung oder gar (versuchter) Totschlag?

Darüber wurde auch in Großbritannien anno 2014 diskutiert, bzw. vor Gericht verhandelt. Ein Anwalt war für ein sieben Jahre altes Mädchen mit fetalen Alkoholschäden vor den Kadi gezogen und hatte eine Entschädigung aus dem staatlichen Opferfond für Gewaltverbrechen verlangt.

In erster Instanz hatte man dem Anwalt Recht gegeben. Die Mutter habe dem Kind bösartig Gift verabreicht, hieß es in der Urteilsbegründung. Die zweite Instanz hob das Urteil wieder auf und gab zur Begründung an: Die Mutter habe zwar Alkohol getrunken, damit aber nur den Fötus geschädigt. Und ein Fötus sei kein Wesen mit persönlichkeitsrechtlichem Status. Übersetzt bedeutet das: Das Mädchen war zum Zeitpunkt der Schädigung noch kein Mensch, also ist die Mutter nach juristischen Gesichtspunkten unschuldig.

So ähnlich verhält es sich auch in deutschen Landen. Mit einem Unterschied: Nach einem Alkoholmissbrauch der eigenen Mutter während der Schwangerschaft haben Kinder bei einem versuchten Schwangerschaftsabbruch Anspruch auf Entschädigung. Genauer gesagt: Will die Mutter das Kind sozusagen bewusst “wegtrinken”, dann ist es strafbar.

So geht es aus einem aktuellen Urteil des Bundessozialgerichts hervor. Die Kasseler Richter wiesen jetzt aktuell die Klage eine2005 geborenen Jugendlichen ab. Die Jugendliche, die bei Pflegeeltern lebt, forderte eine Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz für Kriminalitätsopfer. Das Land Sachsen-Anhalt hatte das abgelehnt.

Eine Entschädigung könne beansprucht werden, wenn die gesundheitliche Schädigung auf einen “vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriff” zurückzuführen ist, hieß es in der Begründung – es muss also eine Straftat vorliegen. Die Schädigung eines ungeborenen Kindes wegen Alkoholmissbrauchs sei aber noch nicht strafbar. Eine Straftat und damit ein möglicher Opferentschädigungsanspruch liege dagegen nur dann vor, wenn die Mutter mit dem Alkoholkonsum das ungeborene Kind habe töten wollen. Im vorliegenden Fall sei der Mutter zwar klar gewesen, dass sie ihr Ungeborenes mit dem Alkohol schädige. Nicht belegt sei aber die Tötungsabsicht.

Quellen: Bundessozialgericht AZ: B 9 V 3/1 R, rp-online.de 11/2014, spiegel-online2013

Autorin: Dagmar Elsen, Journalistin und Initiatorin der Kampagne