Therapie-Serie – “Achtet auf das, was gut tut!” – Teil 9 Neurofeedback
Das Fetale Alkoholsyndrom bringt nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen insgesamt 419 verschiedene Symptome hervor. Dazu zählen körperliche Beeinträchtigungen wie auch neurologische Entwicklungsstörungen. Die neurologischen Defizite sind nicht heilbar, die Betroffenen haben ein Leben lang mit den Auswirkungen zu kämpfen. Es ist jedoch möglich, die Kinder und Jugendlichen mit Hilfe von Therapien zu fördern.
Um bei der allgemeinen Flut von Therapieangeboten einen Überblick zu bekommen, welche Therapien sinnvoll sein können, haben wir unsere Botschafterin, die Diplom-Psychologin und Dozentin Annika Rötters, gebeten eine Auswahl zu treffen. Entstanden ist eine “Therapie-Serie”, deren Staffeln wir in loser Abfolge online stellen.
Grundsätzliches für jede Therapieplanung
Annika Rötters: “Das wichtigste überhaupt ist: Achtet auf das, was gut tut!”
Die Störungen der alkoholgeschädigten Kinder und Jugendlichen sind individuell, so dass es für die Therapieplanung notwendig ist, für jeden Patienten das Passende bzw. die passende Kombination zu finden. Dabei ist ‘mehr’ nicht unbedingt ‘besser’. Bedingt durch das Spektrum der Schädigungen und die oft damit einhergehende Intelligenzminderung sowie die schnelle bzw. schnellere Reizüberflutung, möchte ich mich dafür aussprechen, nicht zu viel auf einmal anzugehen. Es sollte immer im Fokus behalten werden, dass eine Tendenz zur Überforderung besteht, die es zu verhindern gilt.
Nach meiner Erfahrung mit ‘besonderen Kindern’ kann ich empfehlen: Nicht zu viele Termine – und nicht mehr als einen Termin (egal ob Diagnostik oder Therapie) pro Tag und keinesfalls mehr als zwei pro Woche. Termine sind für alle anstrengend, und das, was innerhalb eines Termines geschieht, muss in ausreichender Zeit verarbeitet werden können. Notfälle sind von dieser Empfehlung natürlich ausgenommen.
Termine sollten außerdem so geplant werden, dass sie in den Tagesablauf des Patienten passen. Es darf beispielsweise nicht sein, dass für einen Termin der Mittagsschlaf geopfert wird. Nicht zuletzt sollte der Therapieplan individuell mit den jeweiligen Ärzten und Therapeuten des Vertrauens
Neurofeedback
Das Neurofeedback ist eine Spezialrichtung des Biofeedbacks und beruht auf der Erkenntnis, dass jeder Mensch lernen kann seine Hirnaktivität zu steuern. Beim Neurofeedback werden deshalb Gehirnstromkurven von einem Computer in Echtzeit analysiert, nach ihren Frequenzanteilen zerlegt und auf einem Computerbildschirm dargestellt. Dabei lernen die Patienten, eine bestimmte Körperfunktion besser wahrzunehmen und zu steuern. Dies geschieht per Elektroencephalogramm (EEG). Die Messergebnisse lassen sich am Computerbildschirm in Echtzeit als einfache Signale darstellen.
In der Praxis bedeutet das, dass in der Neurofeedback-Therapie Patient und Therapeut eng zusammenarbeiten. Denn die Gehirnstromkurven werden in Echtzeit über einen Computer ausgegeben und der Patient kann live sehen, welche Auswirkungen welche Trainingsbestandteile auf die eigenen Gehirnströme haben. Annika Rötters: “So kann sehr gut ein Gefühl der Selbstwirksamkeit für die Beeinflussbarkeit eigener Denk- und Handlungsmuster geschaffen werden.”
Die Abstraktionsfähigkeit auf Patientenseite für diese Vorgehen ist vergleichsweise gering – Rückmeldungen geschehen über den Computer und die unmittelbare Auswertung in einer oft visuellen oder auditiven Form, die leicht zu verstehen ist.
Neurofeedback arbeitet auf der Grundlage des klassischen Konditionierens, mit einer Komponente der Bewusstmachung / Aufmerksamkeitslenkung auf die laufenden Prozesse. So werden bei Erreichen „wünschenswerter“ Kurven oft ein bestimmter Ton oder eine bestimmte Tonfolge abgespielt. Es kann auch ein optischer Verstärker (Bild/Video) ablaufen.
Insgesamt sollen über diese Methode bestimmte „Pfade im Gehirn“ verstärkt werden. Neurofeedback wird häufig im Zusammenhang mit sogenannten neuronalen Fehl-Regulationen empfohlen – wenn etwa eine Über-Erregbarkeit vorliegt, eine Unter-Erregbarkeit (Stimulation), Hemmung oder Instabilität neuronaler Erregungsmuster. Ziel ist stets die Beeinflussung der auftretenden Symptomatik.
An dieser Stelle, so Annika Rötters, wird Neurofeedback durchaus auch kritisch gesehen: Ursachen von Symptomatiken werden nicht beachtet und möglicherweise komplexe Zusammenhänge, die erst die Entwicklung neuronaler Fehl-Regulationsmuster bewirkt haben, können durch die Nichtbeachtung dieser langfristig zu Äußerungen der zugrunde liegenden Ursachen in anderen Symptomen führen.
Die Meinung zu Neurofeedback der Psychologin: “Informiert euch bei einem Spezialisten. Habt Ihr das Gefühl, dass es passen könnte, die neuronale Regulation über Konditionierungsprozesse anzupassen, probiert das aus. Qualitätsmerkmale sind hier eine ausführliche Anamnese und Aufklärung über Vorgehen und Parameter, auf deren Grundlage Entscheidungen über die Steuerung der Konditionierungsprozesse getroffen werden.“
Achtung: Bislang wurde Neurofeedback nicht in den Gegenstandkatalog der Krankenkassen aufgenommen. Trotzdem sollte man sich nicht scheuen, einen Antrag bei der zuständigen Krankenkasse auf Kostenerstattung zu stellen. Das hat durchaus Aussicht auf Erfolg, da die positive Wirkung der Therapieform nach jahrelangen Forschungen aus medizinisch-therapeutischer Sicht anerkannt ist.
Die Therapie-Serie auf einen Blick:
1. Tiergestützte Therapie
2. Musiktherapie
3. Physiotherapie
4. Ergotherapie
5. Logopädie
6. Motopädie
7. Psychotherapie
8. Ernährung
9. Neurofeedback
Informationen zur Diplom-Psychologin und Dozentin Annika Rötters: www.psychotrainment.de
Autorin: Dagmar Elsen
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