Seit 13 Wochen illegale Inobhutnahme

Keine Telefonate, keine Mails, geschweige denn irgendwelche Besuche vom Pflegekinderdienst. Keine Vormundschaft für niemand, keine Ausstattung, keine Ausweise, keine U3-Untersuchung, kein Geld. Seit einiger Zeit liegt wenigstens das gelbe Heft vor, später kam noch eine Kopie der Geburtsurkunde hinzu. 

Das ist der Faktencheck von Carla (Name geändert), die als Pflegemutter von zwei Kindern mit fetalen Alkoholschäden im Spätherbst des vergangenen Jahres vom Jugendamt gefragt worden war, ob sie jemanden kenne, der im Dezember ein Kind mit FASD aufnehmen würde. Die schwangere Frau habe selbst FASD, ihr geschädigtes Erstgeborenes sei ihr seinerzeit auch schon weggenommen worden. Wochen später ein Anruf, ob Carla bereit sei den Säugling aufzunehmen. Man würde jetzt zur Mutter fahren und das Gespräch suchen. „Eineinhalb Stunden später riefen sie mich erneut an und sagten, dass sie sich jetzt auf den Weg machen zu mir“, erzählt die Pflegemutter. Und weiter: „Ich habe schnell Windeln geholt. Alles andere werden die ja wohl dabeihaben, dachte ich mir.“

Von wegen. Nur eine Tüte mit wenigen Klamotten, ein Fläschchen und ein halbes Paket Milchpulver. Carla regt sich noch immer auf: „Sie erzählten, der Säugling habe zum letzten Mal vor fünf Stunden getrunken.“ So schnell wie die Damen vom Jugendamt gekommen waren, so schnell verschwanden sie auch wieder. „Ich habe immer wieder den Kontakt gesucht“, klagt Carla. Nur der Allgemeine Soziale Dienst, der das Kind zunächst in Obhut genommen hatte, habe reagiert und seine Verzweiflung gezeigt, dass man einfach nicht weiterkomme. Obwohl es Vorschrift sei, dass der Pflegekinderdienst innerhalb von drei Wochen überprüfen müsse, wo das Kind hingekommen sei. Das sei definitiv eine illegale Inobhutnahme, habe der Pflegekinderdienst verlauten lassen.

Selbst das Gericht, das innerhalb von vier Wochen über den weiteren Verbleib hätte entscheiden müssen, zucke desinteressiert mit den Achseln. Man sei sich der Tatsache, dass es sich um unrechtmäßige Inobhutnahme handele, bewusst. Man habe aber schlicht keine Zeit. Man könne doch froh sein, dass die Pflegemutter das Kind genommen habe, sonst wäre es tot. Die leibliche Mutter sei sowieso unauffindbar. Außerdem überlege man, ob man den Fall an das örtliche Gericht abgebe, wo sich das Baby nun aufhalte. 

Carla empört über die lapidare Haltung des Gerichts engagierte dann einfach auf eigene Faust die Hebamme, marschierte zum Kinderarzt und buchte für den Säugling, der inzwischen zu einem propperen Baby geworden ist, Physiotherapiestunden. „Die würden das Baby gar nicht mehr erkennen“, sagt die Pflegemutter. Deshalb schickt sie sicherheitshalber immer wieder Fotos ans Amt.

Finanziell sieht es nicht minder düster aus. Die aufgelaufenen Kosten betragen inzwischen fast 4000 Euro. Carla hat noch nicht einen Cent gesehen. Sie weiß von Pflegeeltern, die schon seit 18 Monaten auf das Pflegegeld warten. Carla überlegt nun, ob sie eine Untätigkeitsklage einreicht.

Autorin: Dagmar Elsen, Journalistin und Initiatorin der Kampagne